Kunstform

IntarsienWerkstatt

raphaël schmitt

Kunstform

ZUR KUNSTFORM DER INTARSIE:

Hier soll in Kürze versucht werden, die Intarsie als selbständige Kunstform zu beschreiben.
Im Vergleich zu anderen Kunstformen eröffnet uns die Intarsie neue Aspekte, die sonst noch kaum bekannt oder meines Wissens nie aufgeschrieben wurden.
Die Intarsie ist nicht nur das Ergebnis einer blossen Furnierschneidetechnik, obwohl heute ein grosser Teil aller entstandenen Intarsienbilder einen rein dekorativen Charakter aufweist. Auf dem Gebiet des Souvenirgeschäfts sind es oft geschmacklose Produkte einer Massenfabrikation.
Als «Kunstwerke» werden dem Laien von «Handwerk-Künstlern» oft Kreationen angeboten, deren einzige Funktion darin besteht, jenem zu einem neuen Schmuck der Wohnung zu verhelfen.
Somit steht die Intarsie an der gleichen Stelle wie die Graphik; sie ist zu einem verzierenden Element des Wohnstils geworden, ist aber nicht fähig, als etwas Selbständiges zu wirken.
Die Intarsie ist in Gefahr in ihrer Kunstform Mittel zum Zweck zu werden. Ein jedes echtes Kunstwerk ist Mittel und Zweck in einem; es will etwas ausdrücken und ist Ausdruck zugleich:

Schiller in einem Brief an seinen freund Körner, 25.12.1788

«Jedes Kunstwerk darf nur sich selbst, d.h. seiner eigenen Schönheitsregel Rechenschaft geben und ist keiner anderen Forderung unterworfen.»

Obwohl dieser betrübliche Zustand der Intarsie heute weit verbreitet ist, wäre es falsch, alle Bemühungen innerhalb der Intarsie in einen und denselben Topf zu werfen.
Die Intarsie muss sich vom Vorurteil, das wir ihr gegenüber (oft zu Recht) haben, befreien. Es gibt verschiedene Intarsienbildner, die versuchen, ihr Handwerk zu einer selbständigen Kunstform zu bringen und die dabei sogar einen persönlichen Stil zu entwickeln vermögen.
Das soll nun näher geprüft werden.
Im Folgenden will ich Begriffe, die in der Malerei geläufig sind, sinngemäss auf das Gebiet der Intarsie übertragen.

Wir unterscheiden drei Bereiche in der Entstehung einer Intarsie.

  • Die technisch-handwerkliche Eigenart einer Intarsie: Der Messer- und der Sägetechnik entsprechen z.B. die Öltechnik, das Aquarell in der Malerei.
  • Die allgemein-darstellungsmässige Eigenart einer Intarsie: Der realistisch-naturalistischen oder der stilisiert-abstrakten Intarsie entspricht z.B. der Impressionismus, der Naturalismus oder der Kubismus in der Malerei.
  • Die persönliche Eigenart betrifft in der Intarsie alle die Kunsthandwerker, die einen individuellen Stil haben (Roentgen, Baumer). Solche einzelne Persönlichkeiten entsprechen in der Malerei Künstlern wie z.B. Toulouse-Lautrec, Picasso etc.

Intarsienbildner, die den Anspruch erheben, Kunstwerke zu schaffen,
sind nur glaubwürdig, wenn sie die Bereiche der technisch-handwerklichen, der allgemein-darstellenden und der persönlich-individuellen Eigenart ihrer Bilder als Ganzes verbinden können.
Um dies zu veranschaulichen, können wir die Arbeitsweise eines X-Intarsienbildners herausgreifen: Roberto Scerza verfertigt seit langem eigenständig Intarsienbilder. Er verwendet die Messertechnik (technisch-handwerklicher Bereich) und legt vor allem stilisierte Landschaften ein (allgemein-darstellungsmssiger Bereich). Seine Intarsienbilder entstehen auf Grund eigener Kompositionen, die eine spezifische Eigenart aufweisen - Individueller Bereich.
Es gibt Intarsienbildner, die ausschliesslich den ersten Bereich, den technisch-handwerklichen, berücksichtigen können. Ihre Arbeiten sind nach festen Vorlagen geschaffen. Oft wird die Genauigkeit ihrer Werke gepriesen und man bewundert die Geduld des Handwerkers.
Die meisten Intarsien entstehen auf der Basis des ersten und zweiten Bereichs. Der Handwerker arbeitet nach bestimmten Vorlagen, behält aber eine gewisse Freiheit in der Wahl der Hölzer. Das Umsetzen der Vorlage in eine brauchbare Zeichnung wird dem ungeübten Intarsiator oft zum Verhängnis. Die Bilder wirken meistens grob und unbeholfen.
Es gibt auch Künstler, deren Fähigkeiten besonders im dritten Bereich liegen, aber denen die Grundlagen im ersten Bereich fehlen. Sie entwerfen zwar eine eigene Komposition, führen sie aber nicht selber als Einlegearbeit aus. Wie der alte Spindler überlassen sie die handwerkliche Arbeit einem anderen Fachmann. So entsteht ein Werk, das nur dann als Kunstwerk betrachtet werden kann, wenn es vom Entwerfer und vom Ausführenden wirklich gemeinsam in ständiger Zusammenarbeit geschaffen wurde.

Nur jene Intarsienbildner können sich als wirkliche «Künstler» bezeichnen, welche alle drei Bereiche der Anfertigung einer Intarsie miteinander verschmelzen lassen. Die Bezeichnung «Künstler» ist in ihrer ursprünglichsten Form zu verstehen.
Mir scheint heute, wo Künstler vom Himmel fallen wie das Laub von dem Bäumen im Herbst - und dann oft ebenso schnell vom Winde verweht werden, der Begriff «Kunsthandwerker» dem Begriff «Künstler» weit überlegen zu sein. Der. Kunsthandwerker ist an technische Gesetze bzw. materialgerechte Verarbeitung sowie an die Regeln der Ästhetik gebunden. Der Künstler hingegen erlaubt sich heute oft über all dies hinwegzusehen.

Die Kunstform

Die ideale Kunstform der Intarsie, wie sie zuletzt beschrieben wurde, trifft man heute nur selten an. Umso mehr sollte man sich darum bemühen, sie als wahre Kunstform, die neben anderen Kunstformen durchaus ihre Berechtigung hat, bekannt zu machen.
Trotz jahrtausendlanger Entwicklung ist die Intarsie als Kunstform am Ursprung ihrer Entfaltung: Es ist noch ein langer Weg zu gehen, bis die Intarsie ihre künstlerische Selbständigkeit glaubhaft gemacht haben wird.

Dies gab dem Schreiber den Anstoss, sich während Jahren mit der Intarsie zu befassen und auseinanderzusetzen.

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